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Erste Schritte für alle, die Gesang studieren wollen

  • Autorenbild: bellagutay
    bellagutay
  • 12. Aug.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Aug.

Im Moment bereite ich gerade eine Schülerin auf ihre Aufnahmeprüfung vor. Es ist August, und in weniger als einem Jahr steht die Prüfung schon an. Ich finde, für so eine große Aufgabe braucht man unbedingt einen klaren Plan – sonst kann es ziemlich überwältigend werden. Als ich damals selbst vor meinen Aufnahmeprüfungen stand (BA Klassischer Gesang, KA, KPA), hatte ich gar keine Unterstützung und musste mir alles mühsam selbst zusammensuchen. Wenn man sich in dieser Welt nicht auskennt, weiß man oft gar nicht, wo man anfangen soll oder was überhaupt auf einen zukommt. Deshalb möchte ich hier ein paar Gedanken und Tipps teilen, die dir helfen können, dich besser zurechtzufinden.



  1. Welchen Weg möchtest du mit deiner Stimme einschlagen – und warum?

Es ist nicht leicht, sich zu entscheiden, denn die Welt des Gesangs bietet viele Richtungen. Manche träumen davon, klassische Opernsänger:in zu werden, andere möchten als Lehrkraft wirken, im Chor singen oder sich auf barocke Musik spezialisieren. Auch Lied und Oratorium ziehen viele an, während andere lieber in der Operette oder im Musical auf der Bühne stehen. Bevor du dich für eine Ausbildung bewirbst, solltest du dich fragen: Welche dieser Richtungen passt am besten zu deiner Vision, deiner Persönlichkeit — und vor allem: was begeistert dich am meisten?



🎶 Welche Studienrichtungen gibt es eigentlich für Sänger:innen?


  • Klassischer Gesang / Vocal Performance – technische Basis, Opern- und Konzertrepertoire

  • Oper / Opernschule – Fokus auf Bühnenpräsenz, Rollenvorbereitung, Schauspieltraining

  • Lied & Oratorium – Spezialisierung auf Kunstlied, Kammermusik und geistliche Werke

  • Alte Musik / Early Music – historisch informierte Aufführungspraxis, Barock- und Renaissance-Repertoire

  • Chorgesang / Ensemblegesang – Schwerpunkt auf kollektives Singen, Ensemblearbeit

  • Kirchenmusik / Sacred Music – liturgisches Singen, Oratorien, oft mit Orgel oder Chorleitung kombiniert

  • Gesangspädagogik / Vocal Pedagogy – Ausbildung zur Lehrkraft, Fokus auf Didaktik und Stimmbildung

  • Musikpädagogik / Music Education – breiteres Lehramt mit Schwerpunkt Gesang und allgemeiner Musikunterricht

  • Operette & Musical Theatre – Bühnenfächer mit starker Verbindung zu Schauspiel und Tanz

  • Jazz- und Popgesang / Contemporary Vocals – moderne Stile: Jazz, Pop, Soul, Rock, Musical Crossover

  • Interdisziplinäre Ansätze / Crossover – Mischung aus Klassik, moderner Musik und Performance-Art

  • Songwriting / Vocal Composition – eigene Lieder entwickeln und aufführen

  • Musiktherapie (mit Schwerpunkt Stimme) – Einsatz der Stimme im therapeutischen Kontext



Wenn du dich für eine Richtung entschieden hast, ist der nächste wichtige Schritt, die Dozent:innen des jeweiligen Studiengangs kennenzulernen. Wähle die Hochschule in erster Linie nach den Lehrenden aus. Bewirb dich nicht an zu vielen Orten – realistisch sind etwa 3–5 Institutionen. So kannst du den Überblick über das Repertoire behalten und wirklich in Kontakt mit den Professor:innen treten. Hast du deine Auswahl getroffen, erstelle eine Übersicht über die jeweiligen Aufnahmebedingungen.



  1. Aufnahmeprüfung – Hochschulübersicht


1. Allgemeine Angaben
  • Name der Hochschule

  • Stadt, Land

  • Studiengang (Name & Abschluss)

  • Kurze Beschreibung des Studiengangs

2. Aufnahmeprüfung
  • Hauptfach-Anforderungen (Repertoire, Anzahl der Werke)

  • Nebenfach-Anforderungen (z. B. Klavier, Theorie)

  • Zusätzliche Prüfungen (z. B. Gehörbildung, Sprachtest)

  • Video erforderlich: Ja / Nein

3. Organisation
  • Bewerbungsfrist

  • Prüfungstermine

  • Benötigte Unterlagen (Lebenslauf, Motivationsschreiben, Empfehlung etc.)

  • Bewerbungsgebühr

  • Studiengebühren


  1. Repertoirewahl für die Aufnahmeprüfung

Die Wahl deines Repertoires ist einer der entscheidendsten Schritte in der Vorbereitung. Du musst genau wissen, womit du arbeiten wirst und welche Anforderungen dich erwarten. Die richtige Stückauswahl kann den Unterschied machen – daher ist es wichtig, mit deinem Gesangslehrer oder deiner Gesangslehrerin sorgfältig zu planen.


Worauf solltest du achten?

  • Übersicht haben: Klar wissen, welche Stücke vorbereitet werden müssen.

  • Vielfalt zeigen: Meist 4–5 Arien und 4–5 Lieder aus verschiedenen Epochen.

  • Stilistische Bandbreite: Barock, Klassik, Romantik, Moderne – ausgewogen zusammenstellen.

  • Sprachen: Verschiedene Sprachen singen – vor allem Italienisch, aber auch Deutsch, Französisch und Englisch.

  • Stimmgerechtes Repertoire: Stücke wählen, die zur eigenen Stimme passen und gleichzeitig Entwicklungspotenzial zeigen.

  • Mit Lehrer:in abstimmen: Die Auswahl immer mit der Gesangslehrkraft besprechen.

  • Persönlichkeit zeigen: Stücke wählen, mit denen man sich identifizieren kann und die Ausdrucksstärke unterstreichen.


  1. Nebenfächer bei der Aufnahmeprüfung

Natürlich steht das Fach Gesang im Mittelpunkt der Aufnahmeprüfung – aber genauso wichtig ist die Vorbereitung in den Nebenfächern. Je nach Hochschule können das Klavier, Pädagogik oder Schauspiel sein. Der wichtigste Schritt ist, frühzeitig Klarheit zu haben, was genau verlangt wird. Die Aufnahmeprüfung ist ohnehin stressig genug – ohne gründliche Vorbereitung ist sie kaum zu bewältigen.


  • Nebenfächer ernst nehmen: Sie sind ein fester Bestandteil der Prüfung und können entscheidend sein.

  • Klavier: Bereite 2–3 Stücke vor. Es muss nicht zu kompliziert sein – wichtig ist, rechtzeitig anzufangen und es nicht bis zur letzten Minute aufzuschieben.

  • Pädagogik: Im BA-Studium gibt es in der Regel keine Probelehrstunde, sondern eher spielerische Aufgaben zur Einschätzung deiner pädagogischen Fähigkeiten.

  • Schauspiel: Für Oper oder Musical wird meist ein Monolog verlangt, den du vorbereitet vorträgst.

  • Früh informieren: So bald wie möglich die genauen Anforderungen der Hochschule recherchieren.

  • Zeit einplanen: Nebenfächer regelmäßig in die Vorbereitung einbauen – nicht auf den letzten Drücker lernen.



  1. Kontakt zu den Professor:innen

Ein entscheidender Teil der Vorbereitung ist, frühzeitig den Kontakt zu den Professor:innen zu suchen. Viele Bewerber:innen melden sich nicht einfach blind zur Prüfung an, sondern nehmen schon Monate vorher Kontakt auf – sei es durch Meisterkurse oder durch eine persönliche Stunde. Das ist für beide Seiten wichtig: Du lernst die Arbeitsweise und Persönlichkeit des Lehrenden kennen, und die Professor:innen können einschätzen, ob ihr gut zusammenpasst. Die Lehrer:innen prägen deine Ausbildung maßgeblich – deshalb ist diese Wahl so entscheidend.


Tipps für den Kontakt:

  • Frühzeitig beginnen: Nimm schon Monate vor der Aufnahmeprüfung Kontakt auf – auch wenn du dich noch nicht „fertig“ fühlst.

  • Feedback einholen: Selbst wenn du noch nicht auf Aufnahmeprüfungsniveau bist, kannst du wertvolle Rückmeldungen erhalten und deine Fortschritte zeigen.

  • Repertoire mitbringen: Nimm Stücke mit, die du auch für die Aufnahmeprüfung vorbereiten möchtest.

  • Mehrere Professor:innen kennenlernen: Geh im Herbst zu mehreren Lehrenden, und im Frühjahr erneut zu denen, die dir am sympathischsten waren.

  • Kosten: Häufig verlangen Professor:innen für die erste Stunde kein Honorar, da es auch in ihrem Interesse ist, passende Studierende zu finden.

  • Wichtigkeit der Beziehung: In Gesang und Instrumentalunterricht ist die Lehrer-Schüler-Beziehung zentral – ihr arbeitet mehrere Jahre sehr eng zusammen.


  1. Zeitplan & Gesundheit vor der Aufnahmeprüfung

Die Aufnahmeprüfungen verlangen nicht nur musikalische, sondern auch körperliche und mentale Stärke. Gerade die Monate vor der Prüfung sind entscheidend – sowohl für deine Vorbereitung als auch für dein Wohlbefinden.


Wichtige Punkte:

  • Fristen kennen: Die Bewerbungsunterlagen müssen meist im Februar oder März eingereicht werden.

  • Videoeinreichung: Manche Hochschulen verlangen zusätzlich ein Video – dieses sollte Priorität haben.

  • Gesundheit im Fokus: Februar ist Erkältungszeit – achte besonders auf deine Gesundheit, genug Schlaf und Pausen.

  • Rechtzeitig fertig werden: Bis Januar/Februar sollten alle Stücke und Nebenfächer vorbereitet sein.

  • Verinnerlichung: Gib deinem Körper und Geist Zeit, das Repertoire zu verarbeiten, damit es sicher sitzt.

  • Letzte Monate: Die letzten 2–3 Monate sollten hauptsächlich der mentalen und seelischen Vorbereitung gewidmet sein.



🎶 Zeitplan für die Aufnahmeprüfung (September – Juni)

Schauen wir uns einmal an, wie man sich zeitlich am besten auf dieses besondere Jahr vorbereiten kann. Natürlich bedeutet eine Aufnahmeprüfung jahrelange Vorarbeit – stimmlich, im Repertoire, am Klavier und in der Musiktheorie. Der folgende Plan richtet sich vor allem an diejenigen, die schon Vorkenntnisse haben. Aber auch fortgeschrittene Schüler:innen können sich leicht in all den Aufgaben verlieren. Deshalb ist es besonders wichtig, eine klare Struktur zu haben, an der man sich orientieren kann.


September – Oktober

  • Orientierung: Studienrichtungen und Hochschulen auswählen (3–5)

  • Repertoire grob festlegen und mit Lehrer:in abstimmen

  • Nebenfächer (Klavier, Theorie, Schauspiel, Pädagogik) im Blick haben und einen Plan erstellen


November – Dezember

  • Repertoire vollständig auswählen

  • Beginn intensiver Erarbeitung der Stücke

  • Erste Korrepetitionen mit Klavierbegleitung

  • Nebenfächer: Grundlagen auffrischen und regelmäßig üben

  • Erste Videoaufnahmen zur Selbstkontrolle machen

  • Professor:innen kontaktieren, ggf. erste Meisterkurse oder Probestunden besuchen


Januar – Februar

  • Alle Stücke (Hauptfach + Nebenfach) sollten vollständig vorbereitet sein

  • Bewerbungsunterlagen fertigstellen (Lebenslauf, Motivationsschreiben, Empfehlungsschreiben etc.)

  • Bewerbungsfristen einhalten (Februar/März)

  • Falls verlangt: Videoaufnahmen in hoher Qualität einreichen

  • Besondere Aufmerksamkeit auf Gesundheit: Schlaf, Ernährung, Pausen


März – April

  • Bewerbungsphase läuft → Fokus auf Wiederholung und Festigung

  • Intensivere Korrepetitionen und interne Vorsingen (vor Familie/Freunden)

  • Mentale Vorbereitung: Stress- und Lampenfiebertraining, Visualisierung

  • Erste Generalproben mit komplettem Repertoire


Mai – Juni

  • Hauptfokus: mentale und seelische Stabilität

  • Repertoire nicht mehr neu lernen, sondern nur festigen und vertiefen

  • Simulierte Prüfungen in Prüfungssituation

  • Selbstvertrauen stärken

  • Ausreichend Ruhe und Ausgleich (Sport, Entspannung)



Sich auf eine Aufnahmeprüfung vorzubereiten bedeutet nicht nur musikalische Arbeit, sondern auch eine große fachliche, mentale und emotionale Herausforderung. Allein die Tatsache, ein Aufnahmejahr konsequent durchzustehen, zeigt bereits enorme Entschlossenheit.

Es bewerben sich jedes Jahr viele Kandidat:innen – doch der wichtigste Fokus sollte immer auf deiner eigenen Vorbereitung liegen. Gesang ist einerseits das Natürlichste und Menschennächste überhaupt, und gleichzeitig aus fachlicher Sicht unglaublich anspruchsvoll. Den eigenen Weg zu finden erfordert Ausdauer, Disziplin und manchmal auch Kämpfe.

Aber ich bin überzeugt: es lohnt sich. Wenn du in dir eine echte Leidenschaft und Sehnsucht für das Singen spürst, gib nicht auf – auch wenn der Weg nicht immer geradlinig erscheint. Bleib offen, neugierig und vertraue deinem Prozess.

 
 
 

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